BDSM-Sessions sind oft emotional und körperlich intensiv – für beide Seiten. Während der Sub Drop längst Thema in Communitys, Podcasts und Aftercare-Gesprächen ist, bleibt der Dom Drop häufig unerwähnt.
Definition
Der Dom Drop beschreibt einen Zustand nach einer intensiven BDSM-Erfahrung, in dem die dominante Person sich leer, zweifelnd und/oder emotional instabil fühlt. Typisch sind Gedanken wie:
- War das zu viel?
- War ich präsent genug?
- Habe ich ihr/ihm geschadet?
- Bin ich wirklich so?
- Was sagt das über mich?
Oder stattdessen diffuse Gefühle der Niedergeschlagenheit, Einsamkeit, Erschöpfung und Leere.
Was passiert beim Dom Drop?
Während einer Session ist die dominante Person oft hochfokussiert: präsent, kontrollierend, klar führend. Neurophysiologisch ist das mit einem erhöhten Level an Adrenalin, Dopamin und Endorphinen verbunden. Nach der Session fällt dieser Spiegel ab – und das kann zu einem emotionalen Tief führen – vor allem, wenn der Hormonausgleich im Gehirn sehr plötzlich vonstatten geht. Psychologisch kommt hinzu: Dominanz bedeutet Verantwortung. Wer ernsthaft führt, übernimmt emotionale wie körperliche Verantwortung für den Raum, das Setting, seine Handlungen und teilweise auch das Wohlbefinden des Gegenübers. Und genau das kann im Nachgang Fragen oder Schuldgefühle auslösen – vor allem, wenn Grenzerfahrungen Teil des Spiels waren.
Warum wird der Dom Drop so selten thematisiert?
Weil viele dominante Personen das Gefühl haben, sie müssten „stabil bleiben“. Die Vorstellung, dass Stärke und Verletzlichkeit bzw. Dominanz und Schwäche/ Unsicherheit sich ausschließen, hält sich hartnäckig – auch in der BDSM-Szene. Doch genau das verhindert, dass Menschen über ihre emotionale Realität nach der Session sprechen. Dom Drop ist jedoch kein Zeichen von Schwäche.
Er ist ein Zeichen dafür, dass etwas emotional Relevantes passiert ist – und dass die Verbindung zur eigenen Verantwortung und Empathie noch da ist.
Warum gerade viele dominante Männern hier Schwierigkeiten haben
Während dominante Frauen häufiger offen über emotionale Nachwirkungen sprechen können, fällt es vielen Männern schwer, sich einen Dom Drop überhaupt einzugestehen.
Ein Grund liegt in der sozialen Codierung von Geschlecht und Rolle: Dominanz gilt bei Männern oft als selbstverständlich – als Ausdruck von Stärke, Souveränität, Kontrolle. Wenn genau diese Kontrolle nach einer Session kippt, wenn Unsicherheit, Scham oder Erschöpfung auftauchen, passt das für viele Männer nicht zu dem Bild, das sie – oder andere – von männlicher Dominanz haben.
Dominante Frauen erleben dagegen weniger Widerspruch darin, sich im Nachgang gehalten, gespiegelt oder aufgefangen zu fühlen. Für Frauen ist emotionale Bedürftigkeit kulturell „erlaubter“ – selbst in einer dominanten Rolle.
Männliche Doms hingegen bleiben oft allein mit dem Gefühl, „nicht stabil genug“ gewesen zu sein – obwohl gerade die Reflexion und das Spüren der Verantwortung ein Zeichen von Reife und Tiefe sind – oder manchmal auch in Indiz dafür, dass die Rolle selbst (heute oder allgemein) sich nicht stimmig anfühlt.
Was hilft?
Ausgleich erlauben: Für dominante Menschen ist es psychologisch sehr zentral, gerade nach einer harten/degradierenden/ distanzierten/strengen Rolle in die fürsorgliche und auffangende Rolle gehen zu können. Also die Ausgleichserfahrung zu machen, dass man zwar „Schmerz zufügen“ (oder Ähnliches) kann, aber anschließend eben auch auffangen und halten kann. Wer langfristig nur die erste Erfahrung machen darf (z.B. weil Sub immer direkt nach der Session Abstand braucht und geht) wird vermutlich früher oder später mit dem eigenen Verhalten hadern.
Aftercare auch für Doms: Rituale, Rückzug, körperliche Nähe oder einfach ein Gespräch – auch die führende Person darf gehalten werden, Bedürfnisse äußern und etwas „brauchen“
Kommunikation: Wie war die Session für beide? Gab es Unsicherheiten? Was brauchen beide jetzt?
Selbstempathie: Zweifel bedeuten nicht zwingend, dass etwas falsch war. Sie zeigen, dass man reflektiert