Die Grenzen zwischen BDSM und Gewalt werden oft missverstanden und können bei vielen Menschen Unsicherheit hervorrufen, insbesondere, wenn man sich mit der eigenen Sexualität und neuen Aspekten innerhalb der Beziehung beschäftigt. BDSM und Gewalt scheinen auf den ersten Blick ähnlich, da sie beide mit körperlicher Intensität und Machtunterschieden zu tun haben können. Doch bei näherem Hinsehen gibt es klare Unterschiede. Dieser Beitrag beleuchtet, was BDSM von Gewalt unterscheidet und wie Sie lernen können, diese Unterschiede in Ihrer eigenen Sexualität und Beziehung zu erkennen.
Was ist BDSM?
BDSM ist ein Akronym für Bondage & Discipline, Dominance & Submission sowie Sadism & Masochism. Es umfasst eine Vielzahl von Praktiken, die körperliche und emotionale Intensität beinhalten. Im Zentrum steht jedoch das gegenseitige Einverständnis, eine klare Kommunikation und der Wunsch, sexuelle Intimität durch eine spezielle Dynamik zu vertiefen. BDSM kann verschiedene Formen annehmen, sei es durch Rollenspiele, Bondage, Machtspiele oder andere Praktiken, die auf gegenseitigem Vertrauen basieren. BDSM definiert sich nicht durch Schmerz oder Kontrolle, sondern durch die bewusste Einwilligung und den respektvollen Umgang mit den eigenen und den Grenzen des Partners.
BDSM vs. Gewalt: Die entscheidenden Unterschiede
Gewalt ist eine Form des Missbrauchs und entsteht immer dann, wenn Macht über eine Person auf eine nicht einvernehmliche Weise ausgeübt wird. Hierbei ist es hilfreich, zwei zentrale Unterschiede hervorzuheben:
- Einvernehmlichkeit: Beim BDSM geht es um das Einverständnis aller Beteiligten. Bevor eine Session beginnt, besprechen die Partner ihre Grenzen, Wünsche und Tabus. Dieses „informierte Einverständnis“ ist das Rückgrat von BDSM. Gewalt fehlt dieses Einverständnis, und Handlungen geschehen einseitig oder gegen den Willen des Partners.
- Kommunikation und klare Grenzen: BDSM-Praktizierende legen großen Wert auf Kommunikation und Aftercare (Nachsorge), die den Partnern hilft, nach einer intensiven Erfahrung zur Normalität zurückzufinden. Gewalt verzichtet auf eine solche Rücksichtnahme und ignoriert die Bedürfnisse und Grenzen des Opfers.
Diese beiden Grundpfeiler – Einvernehmlichkeit und offene Kommunikation – sind (nicht alle, aber) entscheidende Unterschiede. BDSM ermöglicht es, mit Vertrauen und Absprache verschiedene erotische Fantasien und Rollen auszuleben, während Gewalt destruktiv und oft traumatisierend ist.
So erkennen Sie den Unterschied für sich selbst
Falls Sie unsicher sind, ob eine bestimmte Praktik für Sie noch in den Bereich von BDSM fällt oder in Richtung Gewalt geht, können folgende Fragen hilfreich sein:
- Fühlen Sie sich sicher und respektiert? Vertrauen und ein Gefühl von Sicherheit sollten immer an erster Stelle stehen. Sie sollten das Gefühl haben, dass Sie jederzeit „Stopp“ sagen können und diese Grenze respektiert wird.
- Wurde im Voraus über Grenzen und Wünsche gesprochen? Ein zentraler Bestandteil von BDSM ist die Absprache vor Beginn einer Session/ eines Spiels. Nehmen Sie sich die Zeit, um über Ihre Wünsche, Grenzen und eventuelle Ängste zu sprechen und prüfen Sie, ob Sie das Gefühl haben, Ihr Gegenüber geht auf ihre Ängste ein und nimmt Sie darin ernst.
- Gibt es ein festgelegtes Safeword? Ein Safe Word kann in einer intensiven Session von größter Bedeutung sein. Wenn dieses Wort gesagt wird, führt das zum sofortigen Abbruch der Session. Ein solches Wort gibt Ihnen Sicherheit und Kontrolle über das Geschehen.
- Fühlen Sie sich im Nachhinein gut? „Aftercare“ ist die Praxis der Nachsorge nach einer Session oder einem Spiel, die hilft, gemeinsam zur Ruhe zu kommen und Emotionen zu verarbeiten. Es sollte auch Raum für Zuwendung und Gespräche geben, um zu reflektieren, wie die Erfahrung war und ob etwas nicht gepasst hat. Weil im BDSM auch Praktiken vorkommen können, die sich im Augenblick unangenehm anfühlen, aber dennoch erotisch erregend und intensiv sein können, lautet die Faustregel: Fühlen sich spätestens im Nachhinein alle Beteiligten besser als davor?
- Werden Ihre Grenzen respektiert? Achten Sie darauf, ob Ihre Bedürfnisse und Wünsche von Ihrem Partner berücksichtigt werden. BDSM basiert auf Respekt und Vertrauen, und die Grenzüberschreitung ohne Einwilligung ist ein Warnsignal.
Hinweis: Nicht nur Frauen sind Opfer von sexueller Gewalt – auch Männern, gerade in der submissiven Rolle, kann es passieren, dass sie Opfer von gewaltvollen Handlungen sind. Diese Handlungen müssen nicht körperlicher Natur sein, sondern können sich auch auf psychischer Ebene abspielen. Gleichzeitig zeigen sich auch bei Frauen Fälle von Grenzüberschreitungen nicht immer nur auf körperlicher Ebene. Es ist hier also gerade im BDSM Bereich, wo Grenzen von außen betrachtet verschwimmen können, wichtig, sich für die Komplexität zu öffnen und ganz zentral nach dem inneren Gefühl zu gehen und/oder nach den oben genannten (und ähnlichen) Fragen.
BDSM als Ausdruck selbstbestimmter Sexualität
BDSM kann ein Weg sein, die eigene Sexualität zu erforschen und sich auf neue Art und Weise auszudrücken. Es ist ein geschützter Raum, in dem Partner in Absprache Macht abgeben oder annehmen können. Im Mittelpunkt steht dabei immer die Selbstbestimmung – das Wissen, dass man mit Respekt und Einfühlungsvermögen behandelt wird.
Wann ist es Zeit, Hilfe zu suchen?
Sollten Sie feststellen, dass Ihr Partner Ihre Grenzen nicht respektiert oder Sie das Gefühl haben, dass Gewalt statt BDSM in Ihrer Beziehung stattfindet, könnte es ratsam sein, Unterstützung zu suchen. Sexualtherapeuten oder Sexualberater können Ihnen helfen, Klarheit über Ihre Bedürfnisse, Ängste und Grenzen zu gewinnen. Hierbei geht es keinesfalls darum, BDSM zu „heilen“, sondern zu verstehen, wo die persönlichen Grenzen und Werte liegen, wie Sie diese herausfinden und wie Sie lernen können, diese Grenzen zu kommunizieren, einzuhalten und im Zweifel aus Konsequenzen zu ziehen, falls Sie erkennen, dass Sie in einer missbräuchlichen Beziehung feststecken.
Fazit
BDSM und Gewalt sind grundverschiedene Konzepte: Während BDSM auf Einvernehmlichkeit, Kommunikation und Vertrauen aufbaut, ist Gewalt einseitig und destruktiv. Wer neugierig auf BDSM ist, kann lernen, sich selbst und seine Bedürfnisse in diesem Bereich besser zu verstehen. Wichtig ist jedoch, dass Respekt und gute Kommunikation im Vordergrund stehen. Indem Sie auf Ihre Gefühle und die Dynamik in Ihrer Beziehung achten, können Sie unterscheiden, was Ihrer Sexualität guttut und was nicht.
Falls Sie Fragen haben oder Unterstützung suchen, bin ich als Sexualtherapeutin gerne hier, um Ihnen beizustehen und einen sicheren Raum zu bieten, in dem Sie sich mit sich selbst und Ihrer Beziehung auseinandersetzen können.