Wenn es um männliche Sexualität geht, existieren bis heute viele Vorstellungen darüber, wie ein „richtiger Mann“ sein sollte: dominant, durchsetzungsfähig, aktiv und kontrollierend. Doch eine große Anzahl von Männern fühlt sich vor allem in Sachen Sexualität von einer ganz anderen Dynamik angezogen: der Submissivität. Viele Männer haben submissive Neigungen, also den Wunsch, sich in einer sexuellen Beziehung unterzuordnen und/oder die Kontrolle abzugeben. Diese Vorliebe kann für ihre Partnerinnen überraschend sein, teilweise sogar überfordernd – oft wird mit Unverständnis oder gar Abwertung reagiert.
Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass submissive Neigungen weder untypisch noch „unnatürlich“ sind – und es ist von zentraler Bedeutung, als Partnerin mit Offenheit und Respekt darauf zu reagieren. In diesem Artikel möchte ich darauf eingehen, warum diese Vorliebe so verbreitet ist, was dahinter steckt und weshalb es für eine gesunde Beziehung entscheidend ist, sie nicht abzuwerten.
Submissivität als Gegenpol zu gesellschaftlichem Druck
Eine der häufigsten Erklärungen für submissive Neigungen bei Männern ist der Druck, der in vielen Lebensbereichen auf ihnen lastet. Gesellschaftlich wird von Männern erwartet, dass sie erfolgreich, dominant und entscheidungsfreudig sind – sei es im Beruf, in sozialen Kontexten oder auch in Beziehungen. Diese ständige Verantwortung und das Bedürfnis, Kontrolle auszuüben, können zu einem natürlichen Bedürfnis nach Ausgleich führen.
Studien zeigen, dass Männer mit hohem beruflichen Stress oft eine stärkere Neigung zu submissiven sexuellen Fantasien entwickeln. Die Vermutung dahinter ist, dass das Abgeben von Kontrolle im sexuellen Kontext eine Möglichkeit bietet, diesen (Leistungs)Druck kurzfristig abzubauen und sich von der ständigen Verantwortung zu erholen. Das bedeutet, dass submissive Neigungen nicht Ausdruck von Schwäche sind, sondern eine gesunde Reaktion auf den hohen Druck, der auf vielen Männern lastet.
Submissivität als Weg zur emotionalen Intimität
Submissive sexuelle Neigungen bieten vielen Männern auch eine Möglichkeit, emotionale Intimität zu erleben, die im alltäglichen Leben oft schwer zu erreichen ist. In einer dominanten Rolle zu sein, kann (!) auch eine emotionale Distanz schaffen, während Submissivität Männer in die Lage versetzen kann, sich verletzlich zu zeigen und Vertrauen aufzubauen. Indem sie Kontrolle abgeben, öffnen sich viele Männer für tiefere emotionale Erfahrungen und fühlen sich intensiver mit ihrer Partnerin verbunden.
Eine Studie der University of Kansas fand heraus, dass Männer, die submissive sexuelle Rollen annehmen, häufig eine stärkere emotionale Bindung zu ihrer Partnerin verspüren. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass das Abgeben von Macht und Kontrolle im geschützten Raum einer einvernehmlichen sexuellen Beziehung das Gefühl von Nähe und Vertrauen im Allgemeinen fördert.
Die Vielfalt sexueller Vorlieben und Neigungen
Es gibt keinen „richtigen“ oder „falschen“ Weg, Sexualität zu leben. Die Bandbreite menschlicher sexueller Vorlieben ist groß und vielfältig – und submissive Neigungen bei Männern sind genauso natürlich wie dominante Fantasien. Untersuchungen zeigen, dass etwa 30-40 % aller Männer regelmäßig submissive Fantasien erleben . Diese Zahlen belegen, dass diese Art der Sexualität keineswegs selten ist und nichts mit einem Mangel an Männlichkeit zu tun hat.
Vielmehr ist die sexuelle Präferenz für Submissivität eine von vielen Möglichkeiten, wie Menschen ihre Sexualität ausdrücken. Wie bei jeder sexuellen Vorliebe ist der Schlüssel, dass sie in einem sicheren, einvernehmlichen und respektvollen Rahmen ausgelebt wird.
Warum Abwertung schädlich ist
Wenn ein Mann den Mut findet, seine submissiven Neigungen mit seiner Partnerin zu teilen, ist das oft ein großer Schritt. Offen über solche intimen Wünsche zu sprechen, erfordert Vertrauen und das Gefühl, in der Beziehung emotional sicher zu sein. Eine negative oder abwertende Reaktion kann dieses Vertrauen tief erschüttern. Männer, die mit Scham oder Abwertung konfrontiert werden, ziehen sich häufig zurück – emotional und sexuell – was auf lange Sicht zu einer Entfremdung in der Beziehung führen kann.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass offene Gespräche über sexuelle Vorlieben für die Gesundheit jeder Beziehung unerlässlich sind. Eine respektvolle Reaktion bedeutet nicht, dass man sofort alle Wünsche des Partners teilen oder umsetzen muss, sondern dass man den anderen ernst nimmt und versucht, eine gemeinsame Basis zu finden.
Respekt und Kommunikation als Schlüssel zur Beziehungspflege
Eine lustvolle, gelungene und gesunde sexuelle Beziehung basiert auf Kommunikation, Respekt und Konsens. Als Partnerin kann es überraschend sein, wenn ein Mann submissive Neigungen äußert, insbesondere dann, wenn man von traditionellen Rollenbildern geprägt ist. Doch gerade in solchen Momenten ist es wichtig, offen zuzuhören und nicht voreilig zu urteilen.
Auch Studien zeigen, dass Paare, die offen über ihre sexuellen Vorlieben sprechen und einander respektieren, eine höhere sexuelle Zufriedenheit und eine tiefere emotionale Bindung erleben. Das bedeutet nicht, dass man jede Fantasie ausleben muss, sondern dass der gegenseitige Respekt und die Bereitschaft, einander zu verstehen, im Vordergrund stehen sollten.
Fazit
Submissive sexuelle Neigungen sind weder selten noch ein Zeichen von Schwäche oder Mangel an Männlichkeit. Vielmehr bieten sie vielen Männern eine Möglichkeit, emotionalen Ausgleich zu finden, Intimität zu erleben und ihre Sexualität auf eine gesunde, erfüllende Weise auszudrücken. Wenn ein Mann den Mut findet, seine Wünsche offen zu äußern, ist als Partnerin entscheidend, mit Offenheit und Respekt zu reagieren.
Der Schlüssel zu einer erfüllten und gesunden Beziehung liegt in der Kommunikation. Indem man einander zuhört, sexuelle Wünsche respektiert und gemeinsam herausfindet, was für beide Partner stimmig ist, lässt sich eine tiefere, harmonischere Verbindung aufbauen – sowohl emotional als auch sexuell.
Sollte es doch bei Schwierigkeiten und Überforderung bleiben, können Paare oder ein Einzelpersonen (in oder ohne Partnerschaft) professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und sich jemanden suchen, der sie in diesem Prozess begleitet.