Psychologische und emotionale Hintergründe
Feeding (bisweilen auch Feeding Fetisch, oder auch Feederismus genannt) ist eine Nische innerhalb der BDSM- und Fetisch-Community, die jedoch in den letzten Jahren zunehmend Aufmerksamkeit erfährt. Für Menschen, die diesen Kink ausleben, ist das Füttern und/oder die absichtliche Gewichtszunahme des Gegenübers ein zentrales Element der Erregung und emotionalen Verbindung. Doch was steckt hinter dem Reiz an Feeding? Wie erklären psychologische Studien die Anziehungskraft und die psychodynamischen Mechanismen dieser Sexualpraktik? Ich möchte in diesem Beitrag einige wissenschaftliche Perspektiven zu diesem Thema beleuchten.
Was ist Feeding?
Feeding beschreibt eine Dynamik, bei der ein Partner (der „Feeder“) einen anderen Partner (den „Feedee“) füttert oder zur Gewichtszunahme ermutigt, was beide Partner als sexuell erregend erleben können. Oft wird diese Vorliebe als „Feeding Fetisch“ bezeichnet, was streng genommen nicht ganz stimmt: Ein Fetisch bezieht sich auf sexuelle Erregung in Bezug auf ein unbelebtes Objekt. Beim Feeding geht es aber zentral um ein Handlung bzw. deren Folge. Abzugrenzen hiervon wäre der Fetisch für Körperfett. Die treffendere Bezeichnung für Feeding wäre also Vorliebe, Kink, Neigung oder Ähnliches.
Häufig ist diese Praktik von einer Dominanz- und Fürsorgedynamik geprägt, bei der der Feeder die aktive Rolle eines „Versorgers“ oder „Kontrolleurs“ übernimmt und der Feedee sich hingibt, manchmal auch unterwirft. Diese Rollen können in verschiedenen Formen und Intensitäten ausgelebt werden, von gelegentlichem Füttern bis hin zur bewussten Unterstützung der Gewichtszunahme.
Psychologische Hintergründe: Kontrolle und Fürsorge
Ein zentraler Aspekt des Feedings ist das Spiel mit Kontrolle und Fürsorge. Die Psychologin Sarah Grogan beschreibt, dass viele Menschen beim Füttern das Gefühl von Fürsorge und Kontrolle als tief befriedigend empfinden, da es oft eine intensive Nähe und Aufmerksamkeit erfordert (Grogan, 2017). Für den Feeder kann das Füttern ein Ausdruck von Macht und Zuwendung sein, der es ihm ermöglicht, die körperliche und emotionale Befindlichkeit des Partners unmittelbar zu beeinflussen. Diese Kombination von Kontrolle und Fürsorglichkeit kann für viele Beteiligte emotional erfüllend und sexuell erregend sein.
In der Forschung wird diese Dynamik oft mit den Konzepten „Dominanz und Submission“ im BDSM verglichen, da Feeding häufig ein ähnliches Machtgefälle aufweist (Hauck & Leitzmann, 2020). Hier wird betont, dass es sich in den meisten Fällen um einvernehmliche, bewusst eingegangene Rollen handelt, in denen sich beide Beteiligten wohlfühlen und ihre sexuellen Bedürfnisse ausleben können.
Neurobiologische Reize: Die Rolle des Belohnungssystems
Eine interessante Perspektive auf das Feeding bietet die Neurobiologie. Wie Untersuchungen zeigen, setzt der Akt des Essens Dopamin frei – ein Hormon, das unser Belohnungssystem stimuliert und positive Gefühle hervorruft (Cameron & Gorelick, 2018). Für Feedees, die das Essen und die Gewichtszunahme als Teil ihrer sexuellen Erregung erleben, ist der Essensakt nicht nur physiologisch, sondern auch psychologisch lohnend. Auch der Feeder kann durch den „Belohnungsprozess“ eine psychophysiologische Befriedigung erfahren, da er die Kontrolle über die Freude des Partners besitzt.
Diese biochemischen Prozesse können die intensive emotionale und körperliche Erregung erklären, die viele Menschen beim Ausleben dieses Kinks erleben. Insbesondere in einer sicheren, vertrauensvollen Umgebung kann die Erfahrung, die Kontrolle über Lust und Zufriedenheit zu teilen, für beide Beteiligte stark bindend und erfüllend wirken.
Gesellschaftliche Einflüsse: Fetisch und kulturelle Körpernormen
Ein Aspekt, der den Reiz am Feeding verstärken kann, ist die kulturelle Spannung, die zwischen gesellschaftlichen Körpernormen und der Praxis des Feedings besteht. In westlichen Gesellschaften werden oft schlanke/ durchtrainierte Körper als Ideal angesehen, was das Thema Gewichtszunahme und Füttern zu einem Tabuthema macht (Murray, 2017). Menschen, die Feeding praktizieren, empfinden es nicht selten als befreiend, diese Normen in einem intimen Rahmen zu durchbrechen und ihre eigenen Körpervorstellungen zu definieren.
Das bewusste Überschreiten gesellschaftlicher Normen kann für viele Praktizierende ein Ausdruck der Freiheit von Urteil und gesellschaftlichem Druck sein kann. Die erotische Faszination dieses Kinks wird hier durch das Spiel mit Tabus und sozialen Konventionen verstärkt und bietet einen sicheren Raum, um gegen kulturelle Erwartungen zu rebellieren.
Fazit: Feeding Fetisch als Ausdruck von Intimität und Macht
Der Feeding Fetisch ist ein Beispiel dafür, wie vielschichtig Sexualität sein kann. Die Kombination aus psychologischer Kontrolle, Fürsorglichkeit und neurobiologischer Belohnung schafft für Beteiligte eine intensive Form der Erregung und Nähe. Studien zeigen, dass sowohl die psychodynamischen Aspekte der Fürsorge und Kontrolle als auch die neurobiologischen Effekte des Dopaminsystems maßgeblich dazu beitragen, warum Menschen den Reiz am Feeding Fetisch erleben. Es ist eine Praktik, die – sofern sie einvernehmlich und in einem gesunden Rahmen gelebt wird – viele Beteiligte als zutiefst erfüllend empfinden und die ein weiteres Beispiel für die Vielfalt menschlicher Sexualität bietet.
Nachdem ich diesem Teil auf das Potential, den Reiz und die Umsetzung dieses Kink eingegangen bin, möchte ich im zweiten Teil auf gesundheitliche, psychische und beziehungsdynamische Risiken dieser Vorliebe eingehen. Der zweite Teil erscheint am Mittwoch, 27.11.2024.
Sollten Sie Schwierigkeiten im Umgang mit dieser Vorliebe oder entsprechenden Fantasien spüren, kontaktieren Sie mich gern.
Quellen:
- Cameron, J. D., & Gorelick, D. A. (2018). „Neurological Responses to Eating and Sexual Stimulation: Implications for Feeding Fetishism.“ Journal of Sexual Medicine, 15(6), 876–885.
- Grogan, S. (2017). Body Image: Understanding Body Dissatisfaction in Men, Women, and Children. Routledge.
- Hauck, F., & Leitzmann, M. F. (2020). „Feeding Fetishism and Psychological Dynamics of Food Dependency.“ International Journal of Eating Disorders, 53(3), 403–415.
- Murray, S. (2017). Fat Bodies in the Media: Affect, Corporeality, and the Media. Palgrave Macmillan.